Über Meeresmonster und Monsterwellen in einem Monsterwerk



Das neu erschienene (Monster) Werk „Das Mittelmeer“  hat viel zu bieten, auch Themen, mit denen der Leser womöglich nicht gerechnet hat. Sie stehen stellvertretend für eine unüberschaubare Fülle von spannenden Geschichten rund um den Mediterran.

Da wir alle Geheimnisse und Mysterien lieben, können künftige Leser einen kleinen Vorab-Einblick in diese Themen gewinnen. Das Buch erhalten Sie/erhälst Du überall, wo es Bücher gibt, im Buchhandel oder im Internet – oder aber auf der Webseite des Herausgebers oder des Vereins MareMundi.



Eine Art Monster sind die Monsterwellen, welche „die Kapitäne auf dem Mittelmeer verunsichern“

Das Kapitel in Form eines Exkurses findet sich ab Seite 558. Viele Menschen haben ein unrealistisches Bild vom Mittelmeer: als harmloses, stets sonniges Urlaubsparadies. Das liegt einerseits an den Bildern aus der Werbung – glatte blaue Wasserflächen –, andererseits an der stabilen, warmen Witterung im Sommer. Im Vergleich zum Okeanos der Griechen, dem großen Ozean hinter den Säulen des Herakles, vermittelt das Mittelmeer ein Gefühl von Sicherheit, ja geradezu von Heimeligkeit. Doch nichts könnte der Wahrheit ferner sein. Das Mittelmeer ist ein fast 4 000 km langer Ozean mit über 5 000 m tiefen Meeresgräben. Seine Winterstürme waren schon bei den antiken Seefahrern gefürchtet, sodass sich diese gezwungen sahen, die Seefahrt für Monate einzustellen. Der Golf von Lion zählt im Winter zu den gefährlichsten Seegebieten des Planeten. 15 m hohe Wellen gelten bei den Reedereien im ganzen winterlichen Mediterran als nichts Außergewöhnliches. Kein erfahrener Kapitän würde das Mittelmeer unterschätzen. Hier gibt es Erdbeben, Vulkanausbrüche, Tsunamis und auch die sagenumwobenen Monsterwellen. 



Übrigens, auch über Tsunamis im Mittelmeerraum wird man ab Seite 564 im Kapitel über Ozeanographie genau informiert (Tsunamis und Stürme im Mittelmeerraum – Ursachen abrupter Veränderungen). Ist doch ein Tsunami auch nichts anderes als eine Monsterwelle, allerding durch andere Mechanismen hervorgerufen als „normale Monsterwellen“. Man schätzt, dass bisher etwa ein Zehntel aller weltweiten Tsunamis im Mittelmeer passiert sind, und dass statistisch jedes Jahrhundert ein großer Tsunami eine Mittelmeerküste trifft. Wenig überraschend sind Griechenland und Italien Schauplätze der meisten Riesenwellen gewesen.



Gibt es die Monster aus dem Meer wirklich?

Ab Seite 1136 berichten Jan Gohla und Robert Hofrichter über die vermeintlichen Monster und kommen dem Rätsel auf die Spur. Monster unter den Tieren gibt es nicht, dafür haben wir Menschen eine ambivalente, widersprüchliche Beziehung zu Tieren.

Nach vielen Fakten und ernsten Themen auf fast 1300 Seiten, nach sehr viel logos in diesem Werk, nach unüberschaubar vielen Informationen über unser mare nostrum, geben die Autoren der Phantasie und dem Kind in uns etwas Raum. Den Rahmen für diese Überlegungen bieten Titelseiten von französischen und italienischen Zeitschriften aus den 1930er bis 1950er Jahren. Sie führen uns zu jenem „Mythos Mittelmeer“, zu jener Mischung aus Neugierde, irrationaler Angst und Faszination, die für die Erforschung der Meere ausschlaggebend war.

In nur wenigen Jahrzehnten haben wir die Meere gründlich erforscht und viele ihrer Geheimnisse begriffen. In nur kurzer Zeit wurde aber auch die Umwelt völlig anders.

Ist sie nicht ambivalent, unsere Beziehung zu den Tieren des Mitelmeeres und den Mitgeschöpfen generell, wenn wir uns diese Titelseite anschauen? Der „böse“ Hai ist ein Klassiker, doch auch Kraken, Schwertfische, monströse Meeresschildkröten, fiktive Ungeheuer, Meerjungfrauen, ja, sogar Delfine schlüpfen in die auflagensteigernde Rolle mariner Bösewichte. Wir lieben sie, doch fürchten wir uns zugleich vor ihnen. Auch 2019 reicht es noch, dass ein harmloser kleiner Hai in Ufernähe eines Strandes vorbeischwimmt, und schon freuen sich die Medien über einen publikumswirksamen Stoff für Wochen. Hat sich an unserer Beziehung zu den Meerestieren wirklich so viel geändert? Etwas schon, aber für die Rettung des Ökosystems Ozean reicht es noch lange nicht.

 

Es besteht kein Zweifel: Unsere Spezies selbst ist das Monster, das in der Lage dazu ist den ganze Planeten so massiv umzugestalten, dass er vielen Arten keinen Lebensraum mehr bietet. Unter final countdown und dem Perfekten Sturm verstehen Fachleute die dramatische Steigerung und Summierung aller Auswirkungen der Erderwärmung und die sechste große Aussterbewelle der Erdgeschichte. Im Fachjargon big six anstelle von big five. Kaum ein gut informierter Mensch zweifelt daran, dass Arten vor unseren Augen in einem viel stärkeren Ausmaß aussterben, als es der „üblichen“ oder natürlichen Aussterberate von biologischen Spezies in den letzten Jahrmillionen entsprechen würde. Im Jahr 2019 prasselt eine ökologische Hiobsbotschaft nach der anderen auf die Menschen ein. Der Regenwald in Amazonien brennt ebenso wie die nordischen Wälder Sibiriens und die des Mittelmeerraums. Über all das haben wir in „Das Mittelmeer“ berichtet. Wir haben uns bemüht manche Vorstellungen aus vergangener Zeit zu revidieren. Das Meer ist kein Ort von Gefahren und unseeliger Monster – es ist ein Ort der Hoffnung. Die abnehmende Biodiversität unseres Planeten haben wir verursacht. Wir sind die Monster.

Dennoch wollten wir etwas vom „Mythos Mittelmeer“ bewahren. Dass Meeresmonster alte Legenden sind, wissen wir alle, dennoch sollen sie nicht durch eine nüchterne naturwissenschaftliche Sichtweise des Mediterrans ersetzt werden. Sie haben als Legenden ihre Daseinsberechtigung, solange wir sie nicht mit der Realität verwechseln. Ohne Empathie und Faszination können wir diesem Meer nicht begegnen und auch nicht helfen. „Die Natur muss gefühlt werden“ schrieb schon Alexander von Humboldt, und ein tieferes Verständnis der Natur beruhe auf wissenschaftlichen Beobachtungen und Gefühlen.



Hofrichter Robert (Hrsg.), 2020: Das Mittelmeer – Geschichte und Zukunft eines ökologisch sensiblen Raums. Springer Spektrum, Heidelberg, ca. 1300 Seiten. https://www.springer.com/de/book/9783662589281


Das vollständige Inhaltsverzeichnis finden Interessenten auf der Webseite des Herausgebers.




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